„Es war einmal ein asiatisches Land, das sich anschickte, die ganze Welt wirtschaftlich zu überholen. Seine Einwohner waren sehr fleißig und stolz auf ihre Wirtschaft…“
So oder ähnlich könnte das Märchen von dem immerwährenden Aufstieg der japanischen Wirtschaft und deren Börse anfangen – damals, Ende der 1980er Jahre. Im Westen war überall die Rede von der „gelben Gefahr“ und auch die deutschen Unternehmen schielten ehrfürchtig, aber auch angstvoll und erschrocken auf die japanische Konkurrenz. Der Anteil der japanischen Aktien im Weltaktienindex MSCI-World belief sich damals auf ca. 40%, während der Anteil Japans an der Weltwirtschaft zum damaligen Zeitpunkt gerade einmal 15% betrug. Dieses Märchen fand allerdings kein „Happy End“, denn dieses krasse Missverhältnis von Börsenbewertung zu realer Wirtschaftsleistung endete in einer jahrzehntelangen Baissephase am japanischen Aktienmarkt und einer schwächelnden Wirtschaft im Land der aufgehenden Sonne.
Am 29. Dezember 1989 markierte der japanische Aktienindex Nikkei 225 mit 38.957,44 Punkten im Handelsverlauf und mit 38.915,87 Punkten auf Schlusskursbasis noch Allzeithöchststände. Im Laufe der nächsten Jahre sank der Index allerdings bis zum 3. Juli 1995 auf 14.485,41 Punkte, was einem maximalen Verlust gegenüber dem Höchststand von 62,8% entspricht. Im Februar 2021 (Stand 19.02.2021) lag der Nikkei-Index immer noch um 22,43% unter seinem historischen Höchststand von vor über 30 Jahren!
Heute gibt es ein neues Märchen, nur der Ort ist ein anderer. Dieses Mal findet es in Amerika statt. Der Anteil der US-Aktien am MSCI-World beträgt aktuell (Stand Februar 2021) gigantische 66,31% und das bei einem geschätzten Anteil an der Weltwirtschaft in Höhe von nur noch 15,7%. Das ist heute in den USA ein noch viel krasseres Missverhältnis als im Falle Japans Ende der 1980er Jahre.
Hoffentlich endet dieser amerikanische Traum nicht in einem ähnlichen wirtschaftlichen Desaster und Aktiencrash wie damals in Japan, denn zumindest die deutschen Aktienbörsen haben sich stets sehr stark an den Vorgaben der Börsen in Übersee orientiert – zumindest immer dann, wenn es abwärts geht.
Meines Erachtens sind Sie derzeit bestens beraten, sich bei Aktien nicht nur auf amerikanische Aktien zu konzentrieren und sogar den Aktienanteil in der aktuellen Übertreibungsphase an den Börsen deutlich zu reduzieren bzw. klein zu halten.
Warum es trotz solcher eindeutigen Marktübertreibungen oftmals an den Aktienmärkten immer noch weiter nach oben geht, lässt sich meines Erachtens am besten mit dem „FOMO“-Effekt erklären.
Das Problem mit dem „FOMO“-Effekt
Der Handlungsdruck für die Investoren ist immer dann am größten, wenn sich die Börsen in einer Hausse-Phase befinden. Gefühlt tut jeder Euro, Yen bzw. Dollar besonders weh, den andere an der Börse erzielen, wenn man selbst diese Gewinne nicht hat. „FOMO“ ist die Abkürzung für „fear of missing out“. Das Paradoxon von „FOMO“: Diese entgangenen Gewinne schmerzen oftmals mehr als reale Verluste – natürlich nicht auf dem Konto, aber psychologisch betrachtet. Die Menschen sind nun einmal Herdentiere und fühlen sich am wohlsten, wenn sie sich mit der Mehrheit in dieselbe Richtung bewegen. Irgendwie scheint die gemeinsame Jagd nach Börsengewinnen sehr beruhigend zu sein und der gemeinsam erlittene Verlust ist nur halb so schlimm. Geteiltes Leid ist schließlich nur halbes Leid. Außerdem kann man sich im Falle eines Crashs damit beruhigen, dass man einen großen Kursrutsch nie genau vorhersagen kann. Den Aktienkursen in einer Hausse nachzulaufen ist wegen der dann hohen Einkaufspreise ist an der Börse zumindest langfristig betrachtet nachgewiesenermaßen eine schlechte Strategie.