In diesem Beitrag geht es um die Bewertung von Unternehmens- und Staatsanleihen durch sogenannte Rating-Agenturen. Deren einzige Aufgabe besteht darin, eine Beurteilung darüber abzugeben, wie aus Expertensicht die Zahlungsfähigkeit der Länder und Unternehmen einzuschätzen ist. Und das Ergebnis drücken Sie in einer Buchstaben-, Rechenzeichen- und Zahlenkombination aus, die es in sich hat und deren Bedeutung man nicht unterschätzen sollte.
Zum Beispiel werden die Staatsanleihen der USA bei „Standard &Poor´s“ (nachfolgend als „S&P“ bezeichnet) mit einem Rating von „AA+“ bewertet. Die mögliche Höchstnote wäre bei „S&P“ ein Rating von „AAA“ gewesen. Bei „Moody´s“ werden die US-Anleihen hingegen weiterhin mit „Aaa“ bewertet, was dem Top-Rating entspricht. Die Rating-Agentur „Fitch“ vergibt übrigens für die Staatsanleihen der Vereinigten Staaten ebenfalls das beste Rating, nennt es nur etwas anders: „AAA“. Man kann also in diesem Fall sagen, dass die Buchstabenkombination bei „S&P“ zwar theoretisch identisch wäre mit dem Rating von „Fitch“, aber „S&P“ hat im Falle der Vereinigten Staaten eine schlechtere Einschätzung abgegeben als der Konkurrent „Fitch“.
Bleiben wir eben noch bei dem Beispiel der US-Staatsanleihen. Die grundsätzliche Frage ist doch, warum das am meisten verschuldete Land der Welt immer noch Bestnoten bzw. Beinahe-Bestnoten erhält. Natürlich weiß jeder, dass kein stark verschuldetes Land der Welt, seine Schulden jemals zurückzahlen wird. Ich kenne auch keinen hochverschuldeten Staat, der aktuell einen Plan vorgelegt hat, wie er seine Schulden zurückzahlen wird. Warum wird also das am höchsten verschuldete and der Welt zweimal mit der Bestnote und einmal mit einer geringfügig schlechteren Note seitens der Rating-Agenturen belohnt?
Die Gründe für das sehr positive Rating für die Vereinigten Staaten trotz der weltweit höchsten Verschuldung:
- Die USA ist immer noch die größte Volkswirtschaft der Welt.
- Der US-Dollar ist seit 236 Jahren gültig (= 1785 bis 2021).
Vielleicht spielt aber auch die Tatsache eine Rolle, dass die drei zuvor genannten und zugleich mächtigsten Rating-Agenturen allesamt ihren Sitz in den USA haben.
Noch verrückter ist das Rating von Japan
Wie wird eine Geldanlage in Staatsanleihen von Japan von den drei bekannten Rating-Agenturen eingeschätzt?
- „S&P“ = A+
- “Fitch” = A
- „Moody´s“ = A1
Beim Beispiel Japan haben wir zwar drei verschiedene Buchstaben-, Rechenzeichen- und Zahlenkombinationen, aber die Bewertung ist (anders als im Falle der USA) praktisch gleich. Das ist immer noch eine sehr gute Bonitätseinschätzung für ein Land, das nicht nur absolut betrachtet, sondern auch im Verhältnis zu seiner Wirtschaftsleistung (gemessen am Bruttoinlandsprodukt) eine höhere Staatsverschuldung aufweist als Venezuela, Sudan und Eritrea. Selbst die Verschuldung Griechenlands verblasst mit seiner Staatsverschuldungsquote von 180,92% gegenüber dem entsprechenden Wert Japans in Höhe von 237,96%.
Die Gründe für das relativ gute Rating für Japan trotz der weltweit höchsten Verschuldungsquote liegen vor allem darin, dass die Japaner selbst ihrem Land Geld leihen. Während die USA sich in aller Welt Geld leihen, können die Japaner quasi ihre eigenen Schulden finanzieren. Das ist auch eine Frage der Einstellung. Während die Griechen zum Höhepunkt der Staatskrise im Jahr 2010 und den Folgejahren so viel Geld wie möglich aus dem Land geschafft haben, haben die Japaner nach dem verheerenden Tsunami im Jahr 2011 sehr viel Geld nach Japan repatriiert, um den Wiederaufbau sicherzustellen. Entsprechend ist das Vertrauen in die Zahlungsbereitschaft der Japaner deutlich größer als in die der Griechen.
Griechenland profitiert trotz schlechten Ratings von der Geldflut
- Standard & Poor´s = B+ = Hochspekulative Anlage. Bei Verschlechterung der Lage sind Ausfälle wahrscheinlich.
- Fitch = BB- = Spekulative Anlage. Bei Verschlechterung der Lage ist mit Ausfällen zu rechnen.
- Moody´s = B3 = Hochspekulative Anlage. Bei Verschlechterung der Lage sind Ausfälle wahrscheinlich.
Hätten Sie nun aufgrund der Zahlen-, Rechenzeichen- und Buchstabenkombination erkannt, dass die Rating-Agentur „Fitch“ das Land Griechenland schlechter bewertet als die beiden Konkurrenten „S&P“ und „Moody´s“? Schauen Sie unter Wikipedia nach und orientieren Sie sich an der Farbgebung (grün für gut, rot für schlecht), würden Sie vermuten, dass Fitch die Zahlungsfähigkeit schlechter bewertet als die beiden anderen Konkurrenten. Lesen Sie hingegen die Beschreibungen der Benotungen, so wird es irritierend. Moody´s bezeichnet die Lage Griechenlands als hochspekulativ, während „S&P“ und „Fitch“ die Lage lediglich als spekulativ einordnen. Allerdings sind sich alle drei einig, dass bei einer Verschlechterung der Lage mit Ausfällen zu rechnen ist.
Fazit: Ganz gleich wie man es sieht, Griechenland profitiert von der aktuellen Geldflut der Europäischen Zentralbank, denn trotz eines teilweisen Schuldenschnitts vor ein paar Jahren, einer sehr schlechten Einschätzung aller führenden Rating-Agenturen sowie einer aussichtslosen Finanzsituation des Landes liegen die Renditen für 10-jährige Staatsanleihen per Februar 2021 sogar unter einem Prozent. Irre oder?
Die wahnsinnige harte Grenze
„Investment-Grade“ heißt die Wahnsinns-Grenze, denn besonders für viele institutionelle Investoren wie beispielsweise Pensionskassen oder Versicherungen ist diese Grenze wichtig, da diese oftmals per Gesetz oder durch ihre eigenen Statuten verpflichtet sind, nur Anleihen von Schuldnern zu kaufen, die ein bestimmtes Mindestrating haben. Die Grenze heißt konkret BBB- bei den Rating-Gesellschaften „S&P“ und „Fitch“ sowie Baa3 bei „Moody´s“. Wer nur in „Investment-Grade“ investieren darf, für den gilt: Alles was sich unterhalb des Investment-Grades befindet, muss verkauft werden oder kommt für einen Kauf nicht in Frage.
Tolle Chancen für Spekulanten, hohe Risiken für konservative Investoren
Stellen Sie sich vor, Sie könnten eine Anleihe unterhalb des „Investment-Grades“ kaufen und der Emittent der Anleihe, ganz gleich ob es sich dabei um ein Land oder ein Unternehmen handelt, verbessert seine wirtschaftliche Situation und rutscht mit seinem Rating in den „Investment-Grade-Bereich“ hinein. Das bedeutet automatisch einen hohen Gewinn. Allerdings können nur Spekulanten so ein Geschäft machen, denn der Anleger, der nur in „Investment-Grade-Anleihen“ kaufen darf, kann diese Chancen nicht nutzen.
Stellen Sie sich vor, Sie sind konservativer Anleger und kaufen eine Anleihe oberhalb des „Investment-Grades“. Danach verschlechtert sich die Lage des Emittenten so stark, dass er unterhalb des „Investment-Grades“ rutscht. Selbst wenn sich die wirtschaftliche Situation nur kurzzeitig verschlechtern würde, so wäre so mancher konservative Anleger gemäß seiner Statuten oder aufgrund gesetzlicher Vorgaben dazu gezwungen, die Anleihe sofort mit Verlust zu verkaufen.
Wie sich die Investment-Grade-Grenze auf Unternehmensanleihen auswirkt, lesen Sie bitte in meinem Beitrag „Zombie Unternehmen“ nach.