Schon lange habe ich vor den preislichen Übertreibungen sowie den kommenden Herausforderungen bei Gewerbeimmobilien gewarnt und ich habe konkret Büroimmobilien und Immobilien des Einzelhandels als Beispiele genannt. Durch die Corona-Pandemie verschärft sich die Situation nun deutlich.
Nutzungsarten der Liegenschaften in den offenen Immobilienfonds
Der BVI (Bundesverband Investment und Asset Management e.V.) hat eine Statistik mit Stichtag 31.12.2020 veröffentlicht, die 90% der deutschen offenen Immobilienfonds erfasst. Alleine 54.3%, also mehr als die Hälfte der Liegenschaften, sind Büroimmobilien. Den zweithöchsten Anteil mit 24,6% haben Handel/Gastronomie. Hotels sind zwar besonders negativ betroffen von den Schließungen im Rahmen der Corona-Pandemie-Bekämpfung, diese bilden aber mit 7,9% kein Schwergewicht bei den offenen Immobilienfonds.
Nicht nur die Corona-Krise belastet
Der Trend zu vermehrten Einkäufen über das Internet sowie die verstärkte Nutzung von Homeoffice ist zwar durch die Corona-Krise massiv stark verstärkt worden, aber dieser Trend war zuvor auch schon deutlich erkennbar. Aufgrund der derzeitigen Struktur der Liegenschaften in den offenen Immobilienfonds, habe ich große Zweifel an der Zukunftsfähigkeit der bestehenden Immobilienportfolios. Und die schlechte Struktur der Bestände wird auch noch von Seiten der Anbieter der offenen Immobilienfonds schöngeredet.
Ein sehr gutes Beispiel, das ich zum Thema Schönreden der Situation finden konnte, stammt direkt von der DWS (die Asset-Management-Tochter der Deutschen Bank). Zum besseren Verständnis muss ich in diesem Fall gleich einen ganzen Absatz inklusive Überschrift zitieren, den ich am 30.03.2021 von der Homepage der DWS (Quelle: https://www.dws.de/informieren/themen/sachwerte–immobilien/immobilien-zuversicht-nach-dem-corona-beben/) übernommen habe:
„Platz wird in den Büros der Zukunft weiter benötigt werden
Auch Büroimmobilien sind bisher relativ gut durch die Krise gekommen und haben sich als stabilisierender Faktor erwiesen. „Das mag auch daran liegen, dass die Corona-Krise so schnell ausbrach, dass viele gewerbliche Mieter gar nicht mit langfristigen Entscheidungen reagieren konnten. Die meisten Unternehmen warten jetzt ab, wie sich die Pandemie entwickelt und kündigen ihre Mietverträge nicht“, erläutert DWS-Fondsmanager Bäcker. Auch hier hat die nahe Aussicht auf Impfstoffe die Perspektive vieler Mieter wieder gefestigt.“
Das sagt also die DWS. Und wie handelt die DWS?
Offensichtlich handelt die DWS ganz anders als sie es in ihrer eigenen Markteinschätzung nach außen verkündet. Einer Ende März erfolgten Pressemitteilung zufolge wird die DWS bereits Ende März 2021 einige ihrer Büros in Frankfurt aufgeben (alleine 200 Arbeitsplätze fallen an diesem Standort weg). Weiter heißt es, dass DWS-Chef Asoka Wöhrmann sowie Deutsche Bank-Chef Christian Sewing mehrfach betont hätten, dass sie in Zukunft einen höheren Anteil von Heimarbeit anstreben würden, um Mietkosten zu senken. Darüber hinaus wird in einem Geschäftsbericht der DWS von Anfang März erwähnt, dass die DWS die Nutzung ihrer Büroflächen an allen Standorten überprüfe, um diese zu optimieren. Die Bankmutter der DWS, die Deutsche Bank, schließt dauerhaft nicht nur viele Filialen, die im Zuge der Corona-Krise verwaist waren, sondern gibt auch viele Bürostandorte im In- und Ausland auf und will deutlich mehr Homeoffice-Arbeit ermöglichen.
Ich werde dabei den Verdacht nicht los, dass fast alle Anbieter von offenen Immobilienfonds die prekäre Situation der offenen Immobilienfonds zum gegenwärtigen Zeitpunkt schönreden oder zumindest die anstehenden Probleme verharmlosen wollen, um die Anleger nicht zu verunsichern.
Die meisten Privatanleger, die sich für offene Immobilienfonds interessieren oder derartige Investmentanteile in ihrem Depot halten, werden mangels entsprechender Fachkenntnisse wahrscheinlich nicht einmal ahnen, in welcher schwierigen Lage die meisten offenen Immobilienfonds mit Schwerpunkt Gewerbeimmobilien derzeit stecken. So verzeichnete allein der Konkurrent Union Investment im Corona-Krisenjahr 2020 netto Mittelzuflüsse in Höhe von ca. 2,9 Milliarden Euro bei seinen offenen Immobilienfonds.
Neuausrichtung der Fondsimmobilien?
Um die Anleger weiter bei der Stange zu halten, wird seitens Fondsgesellschaften wie der DWS erklärt, dass das Anlegergeld verstärkt in Logistik- und Wohnimmobilien investiert werden soll. Diese Neuausrichtung mag zwar zukunftsfähig sein, aber löst die Probleme des suboptimal strukturierten Immobilienbestands nicht. Würde ein offener Immobilienfonds in der derzeitigen Situation beispielsweise ein Hotel verkaufen, dann wäre ein Veräußerungsgewinn zwar wünschenswert, aber sehr unwahrscheinlich.
Ganz wichtig: Es gibt ein paar offene Immobilienfonds, die sind heute bereits ausschließlich in Wohnimmobilien investiert oder haben in diesem Sektor ihren Investitionsschwerpunkt. Diese Ausnahmen unter den offenen Immobilienfonds sind von meiner Marketing-Kritik explizit ausgenommen.
Nach und nach werden die Inhaber von offenen Immobilienfonds auf schlechter werdende Anlageergebnisse vorbereitet
Scheibchenweise bereitet die Ratinggesellschaft „Scope“ die Anleger auf deutlich schlechtere Ergebnisse vor. Im Sommer 2020 überprüfte „Scope“ 15 offene Immobilienfonds und bewertete zwölf von ihnen schlechter als vorher. Im Herbst 2020 wies „Scope“ dann darauf hin, dass die sogenannte Wertveränderungsrendite, die ein wichtiger Baustein der Rendite eines offenen Immobilienfonds ist, künftig geringer ausfallen oder gar ganz wegfallen könnte. Im Frühjahr 2020 weist „Scope“ auf konkrete ökonomische Einbußen bei offenen Immobilienfonds mit Fokus auf Gewerbeimmobilien hin und sagt den weiteren Rückgang der zu erwartenden Renditen dieser Investmentfonds voraus. Sogar der Renditeabstand zu den im Minus befindlichen Anleiherenditen sei zusammengeschmolzen.
Die Risiken sind auch bei offenen Immobilienfonds nicht zu unterschätzen!
Wahrscheinlich erinnern sich nur noch wenige Privatanleger an das Desaster bei den offenen Immobilienfonds, das im Finanzkrisenjahr 2008 begann. Zahlreiche dieser offenen Immobilienfonds waren auf einmal nicht mehr offen, sondern geschlossen, denn die Rücknahme der Anteilsscheine war plötzlich nicht mehr möglich. Unter diesen Investmentfonds waren auch damals bei konservativen Privatanlegern sehr beliebte und große Investmentfonds wie SEB Immoinvest, KanAm Grundinvest oder CS Euroreal. Im Jahr 2018, also rund 10 Jahre nach dem Schließungsdesaster, veröffentlichte das Fondsanalysehaus „Scope“ die Verluste der meist heute noch in Abwicklung befindlichen offenen Immobilienfonds. Sie reichten von minus 0,8% bis minus 54,8%.
Ich hoffe natürlich nicht, dass es erneut zu Schließungen bei den offenen Immobilienfonds kommen wird. Es ist zwar vom deutschen Gesetzgeber eine Regelung erlassen worden, dass bei jedem Kauf von offenen Immobilienfonds eine Mindesthaltefrist von 2 Jahren einzuhalten ist, aber eine Garantie dafür, dass es zu keinen Verlusten oder zu keiner erneuten Schließung der Fonds kommen kann, ist das jedoch nicht.