Neuemissions-Wahnsinn in den USA
Mitte April 2021 wurde die Kryptowährungs-Plattform Coinbase zum ersten Mal an der Börse notiert. Der erste Kurs für eine Aktie von Coinbase notierte bei bei 381 Dollar. Das waren 131 Dollar über dem Referenzpreis von 250 Dollar. Das war ein Gewinn von mehr als 50% bereits am ersten Börsentag. Das entspricht einem Börsenwert von knapp 100 Milliarden US-Dollar. Damit ist Coinbase auf Anhieb deutlich mehr wert als die New York Stock Exchange, die größte Wertpapierbörse der Welt (Eigentümer der NYSE ist die Intercontinental Exchange).
Der Zeitpunkt für die Börsenplatzierung von Coinbase war perfekt gewählt. Erstens boomte im April 2021 gerade die größte Digitalwährung Bitcoin. Zweitens war die US-Börse ebenfalls in einem Höhenrausch und gierte nach neuen Aktien. Außerdem gibt es Millionen von Spekulanten, die entweder bereits schnelles Geld mit Bitcoin & Co. gemacht oder diesen Trend bei den Digitalwährungen verpasst hatten, aber trotzdem von dem Krypto-Boom profitieren wollten.
Historischer Vergleich mit dem Goldrausch in den USA
Der Coinbase-Gründer Armstrong erklärt die Begeisterung für die Coinbase-Aktie mit einem historischen Vergleich, dem Goldrausch in den USA. Er verweist dabei auf eine vom Börsenguru André Kostolany verfasste Börsenweisheit: „Investiere bei einem Goldrausch nicht in die Goldgräber, sondern in Schaufeln.“ Und in diesem Fall sei die Krypto-Plattform Coinbase der Ausrüster im Digitalwährungsboom. Tatsächlich spricht man bei der Schaffung von neuen Bitcoins ja auch von „Mining“ oder „Schürfen“. Die meisten Spekulanten, die jetzt allerdings über den Umweg der Krypto-Handelsplattform auf den fahrenden Zug des „Bitcoin-Booms“ aufspringen, denken aber sicherlich nicht an derart weit zurückliegende historische Vergleiche. Gerade bei den jungen Spekulanten dürfte eher der Vergleich mit der Suchmaschine Google (über Alphabet-Aktien an der Börse erwerbbar) beim Internet-Boom in den Sinn kommen.
Ich bin selbst gespannt, ob Coinbase es schaffen wird, die hohen Erwartungen der Spekulanten dauerhaft zu erfüllen. Meines Erachtens müsste das Unternehmen eine ähnlich marktbeherrschende Stellung unter den Krypto-Handelsplattformen erreichen wie Google bei den Suchmaschinen, wie Facebook bei den sozialen Medien oder Amazon beim Online-Handel, um die hohe Börsenbewertung zu rechtfertigen. Darüber hinaus darf keine der jetzt schon offensichtlichen Gefahren für das Geschäftsmodell von Coinbase, wie zunehmender Wettbewerb und damit Margendruck sowie ein mögliches Einschreiten diverser Länder gegen nichtstaatliche Digitalwährungen, zum Tragen kommen. Ich hoffe, die Aktionäre von Coinbase sind sich der zahlreichen Risiken bewusst und ich wünsche diesen viel Glück bei ihrer heißen Spekulation.
US-Banken profitieren von dem Neuemissions-Boom in den USA
Das weltweit tätige Investmentbanking- und Wertpapierhandelsunternehmen Goldman Sachs mit Sitz in New York City organisierte maßgeblich den Börsengang von Coinbase. Aber nicht nur an dieser Neuemission verdiente das bekannte und mächtige Finanzunternehmen Geld. Es ist die Vielzahl von Neuemissionen an der Börse, die die Gewinne der US-Finanzinstitute wie Goldman Sachs im Jahr 2021 sprudeln lässt.
Gewinnbringer sind für die US-Banken vor allem die „SPACs“ („Special Purpose Acquisition Companies”), die auch zu Beginn des Jahres 2021 den US-Aktienmarkt überschwemmen. Dies sind börsennotierte Unternehmen ohne eigenes Geschäft, aber mit dem Ziel, ein anderes Unternehmen durch eine Fusion an die Börse zu bringen. Nähere Informationen zu „SPACs“ lesen Sie bitte in meinem Blog-Beitrag „SPAC-Irrsinn“ nach.
Mit 248 „SPAC“-Neuemissionen an den US-Börsen war das Jahr 2020 bereits ein absolutes Rekordjahr und damit übertrafen diese oft noch leeren Börsenmäntel die Anzahl der normalen Aktienneuemissionen. Der bisherige Rekord im Gesamtjahr 2020 konnte bereits im April 2021 übertroffen werden: 296 „SPAC“-Neuemissionen allein im ersten Quartal 2021. Das kann keine gesunde Entwicklung sein und man sollte sehr vorsichtig sein, diesen Trend unreflektiert in die Zukunft fortzuschreiben. Dabei freuen sich die Banken natürlich über jede neue Aktie, die sie an die Börse bringen können, denn das ist für die Finanzinstitute aktuell ein risikoloses Geschäft, schließlich ist die Kursentwicklung im Anschluss an den Börsengang allein entscheidend für den Aktionär und die Gewinnmarge für die Börseneinführung ist bereits kassiert.
Die hohen Gewinne der US-Banken haben aber noch einen anderen Grund
Allein das von mir in diesem Beitrag nun schon öfters erwähnte Finanzinstitut Goldman Sachs versechsfachte den Nettogewinn auf 6,7 Milliarden Dollar und der Branchenprimus JPMorgan verdiente mit 14,3 Milliarden Dollar fast das Fünffache des Vorjahreswerts. Dabei handelt es sich nicht um die Gewinne für ein ganzes Jahr, sondern nur um die Gewinne für das 1. Quartal 2021.
Die veröffentlichen Geschäftsergebnisse der US-Banken setzen sich natürlich aus einer Vielzahl von gewinnerhöhenden und gewinnmindernden Positionen zusammen. Ohne dabei näher ins Detail gehen zu wollen, will ich neben den gewinnerhöhenden Einnahmen der US-Finanzinstitute durch die Begleitung der jungen Unternehmen an die Börse natürlich einen weiteren Posten nicht vergessen, der eine große Rolle bei den im April 2021 veröffentlichten sensationell guten Branchenzahlen gespielt hat. Aufgrund des vom neuen US-Präsidenten Joe Biden auf den Weg gebrachten gigantischen Konjunktur-Hilfspakets konnten die US-Kreditinstitute viele Rückstellungen für gefährdete Kredite wieder gewinnerhöhend auflösen.
Warnung vor der Fortschreibung dieses besonders positiven Gewinntrends
Ich kann nur ausdrücklich davor warnen, die Steigerung der Gewinne der US-Banken dauerhaft in die Zukunft fortzuschreiben. Wir können uns alle nur wünschen, dass sich der Aufschwung der US-Konjunktur fortsetzt und dass es an den US-Börsen nicht zu einem großen Crash kommt, aber die Auflösung der Rückstellungen für faule Kredite hat praktisch nur einen Einmaleffekt.
Auch der „SPAC“-Hype wird spätestens in knapp zwei Jahren enden. Entweder die Marktteilnehmer werden zur Kenntnis nehmen müssen, dass es für die Mehrheit der „SPACs“ gar nicht genug Unternehmen gibt, in die diese leeren Börsenmäntel investieren können, oder die Marktteilnehmer werden feststellen, dass die zu kaufenden Unternehmen dann viel zu teuer erworben wurden. Bei den „SPACs“ wird es meiner Überzeugung nach mit Sicherheit zu einer großen Enttäuschung kommen, die hoffentlich nicht den gesamten Aktienmarkt in Mitleidenschaft ziehen wird.